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Athen Marathon 2017.

manuela.dannwolf • Nov 26, 2017

Von Göttern, Höllenqualen und einem himmlischen Zieleinlauf.

Die Strecke.

Der Athen Marathon - die Mutter aller Marathons. Seit langem stand er auf meiner Läufer-Bucket-Liste. Die Strecke führt von Marathon bis ins Athener Panathinaiko-Stadion – der Geburtsstätte der Olympischen Spiele der Neuzeit. Jeder Läufer kennt die Legende des Botenläufers Pheidippides, der nach der Schlacht von Marathon 490 v. Chr. nach Athen lief, um die Botschaft „Nikénem - Wir haben gesiegt“ zu verkünden – und danach tot zusammenzubrechen.

Egal, ob die Legende vom Tod des ersten Marathonläufers stimmt oder nicht – sie versinnbildlicht den Charakter der historischen Strecke. Denn während sich die ersten Kilometer entspannt durch etwas ödes Brachland und kleine Ortschaften ziehen, verlangen die „mörderischen“ Steigungen ab etwa Kilometer 20 auch dem Läufer von heute alles ab.
Für mich waren sie die Rettung.

Die Vorbereitung.

Doch bevor für mich um kurz nach 9 Uhr der Startschuss fiel, musste ich vom Zentrum Athens ins etwa 40 Kilometer entfernte Marathon gelangen. Hierzu waren Hunderte von Shuttle-Bussen unterwegs. Mein Gedanke bei so einer Marathon-Busfahrt ist immer derselbe: „Das soll ich alles zurücklaufen?“ Hinzu kam dieses Mal: „Das soll ich alles wieder hochlaufen?“ Denn ab dem Zeitpunkt, als wir den Großraum Athen hinter uns gelassen hatten, ging es eigentlich nur noch bergab. Und zwar ordentlich.

Im Stadion von Marathon angekommen, verging die Zeit wie im Flug. Zweites Frühstück, Kleiderabgabe, Fotosession an der Olympischen Fackel, drei Toilettengänge (ja, mei, die Aufregung) – und schon standen Pierre aus der Lauf-Liebe-Community und ich – wir hatten uns zufällig getroffen -an der Startlinie. Selbstverständlich im Lauf-Liebe-Shirt-Partnerlook.

Die Start-Zeremonie war Gänsehaut-trächtig. Der Stadion-Sprecher begrüßte die Läufer in allen Sprachen der teilnehmenden Nationen. Kurz, bevor der Startschuss fiel, hoben alle Läufer ihre Faust als Zeichen für einen fairen und freundschaftlichen Wettkampf. Dann ging es los auf die geschichtsträchtige Strecke.

Die Hölle.

Die ersten Kilometer entlang der ägäischen Küste liefen sich leichtfüßig. Die Strecke präsentierte sich unspektakulär bis langweilig, dafür ging es bergab. Die Zuschauerzahl war überschaubar, aber dafür umso herzlicher. Viele Zuschauer reichten den Läufern symbolisch Olivenzweige.

Obwohl ich in den Fußstapfen der alten Götter und Helden lief, fühlte ich mich bald schon alles andere als heldenhaft. Eher wie im Hades: Mein Knie tat höllisch weh und die Sonne brannte immer gnadenloser vom spätherbstlichen griechischen Himmel. Hinzu kam ein Gefühl, das ich noch nie bei einem Wettkampf hatte: Ich hatte keine Lust mehr zu laufen. Ich fragte mich ernsthaft, warum ich das mir und meinem Knie immer wieder antat und wurde sehr nachdenklich – und immer langsamer. Bald schon hielt ich bei jeder Verpflegungsstation an, die übrigens vorbildlich alle 2,5 Kilometer eingerichtet waren. Wenig vorbildlich war das Ausgeben von 0,5l PET-Plastikflaschen, die nach ein paar Schlucken tausendfach im Straßengraben landeten. Da blutete mein Umweltherz schon sehr. Doch bald schon hatte ich keine Kraft mehr, mich darüber zu ärgern. Ich brauchte jedes Körnchen Energie um meinen Kopf davon zu überzeugen, nicht einfach stehenzubleiben.

Mein Lauf glich also einem ziemlichen Trauerspiel. Bis, ja, bis bei etwa Kilometer 20 der Anstieg kam.

Der Phönix.

Der Punkt, an dem die meisten Läufer erste Gehpausen einlegten, wurde mein „Phönix-aus-der-Asche“-Moment. Denn beim Bergauflaufen waren meine Knieschmerzen erträglicher. Als ich merkte, dass ich mein Bein wieder stärker belasten konnte, kam mit jedem Höhenmeter der Ehrgeiz zurück. Da war sie endlich wieder, meine Wettkampfsau. Sie hatte sich dieses Mal auch lange genug hinter Wehklagen und Selbstmitleid versteckt. Endlich hatte sie wieder Blut geleckt und trug mich immer weiter, vorbei an den langsamer werdenden Mitläufern, vorbei an jubelnden Menschenmengen, vorbei an meiner Angst vor meinem ersten DNF. Immer weiter schraubte ich mich auf der Asphaltstrecke nach oben und wünschte mir insgeheim, dass der Berg nie enden würde.

Doch bei Kilometer 31 und etwa 240 Metern über dem Meer war es vorbei – es ging wieder bergab. Das Todesurteil für mein Knie, dachte ich mir. Doch die Wettkampfsau hatte längst das Ruder ergriffen. Sie schrie mich an: „Stell dich nicht so an, du Memme. Nur noch 11 Kilometer – das läufst du sonst in der Mittagspause!“ Und mein Körper, nun vollgepumpt mit Adrenalin und Endorphinen, folgte ihr. Ich rannte, als wäre Hades höchstpersönlich hinter mir her. Der Blick auf meine Uhr bestätigte mein Gefühl: Ich lief einen 4:41er-Schnitt. Ich konnte es kaum glauben. Vielleicht würde ich es sogar noch unter 3:45h ins Ziel schaffen – damit wäre meine Teilnahme am Chicago Marathon gesichert.

Also lief ich weiter, so schnell mich meine inzwischen doch etwas müden Beine tragen konnten. Bei Kilometer 40 wäre mir fast die Puste ausgegangen, doch meine Wettkampfsau peitschte mich weiter an. „Jetzt nur nicht aufgeben, du hast es gleich geschafft.“

Der Himmel.

Und dann, endlich, erblickte ich es: Das majestätisch in den Himmel ragende Olympiastadion von Athen. In gleißendes Licht getaucht, wirkten die Tribünen aus weißem Marmor auf mich wie mein persönlicher Olymp. Mit letzter Kraft setzte ich zum Endspurt an, angefeuert von den Jubelrufen tausender Zuschauer, die in diesem Moment nur mich anzufeuern schienen. Irgendwo hier saß auch meine Mami, mein treuester Fan, die, das wusste ich, in diesem Moment ebenso glücklich war wie ich und vermutlich am lautesten von allen schrie.

Und so strahlte ich bis über beide Ohren, als ich die Ziellinie überquerte. Und ich glaube, meine Wettkampfsau weinte sogar ein wenig vor Erschöpfung und Dankbarkeit. Denn wir hatten es geschafft: Wir hatten den Athen Marathon in 3:41:40h gefinisht. Die Tränen wichen einem zufriedenen Siegerlächeln. Ein Lächeln, das bis heute anhält.

Und die Moral von der Geschicht? Zweifeln darf man - Aufgeben nicht.

Ende.

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