JAKOBSWEG

MEIN JAKOBSWEG 
"Der Jakobsweg ist kein Weg, den man entlanggeht, um irgendwann irgendwo anzukommen. Er ist ein Weg der Kraft. Ein meditativer Weg, der einen trägt und führt. Ein Weg, den man lieben lernt."
DIE REISE ANS ENDE DER WELT.

Woher der Gedanke kam, dass ich den Jakobsweg gehen wollte, weiß ich nicht. Auf einmal war die Idee geboren. Aus der Idee wurde ein Traum und aus dem Traum ein 800 Kilometer langes Abenteuer. Heute bin ich überzeugt: Der Camino hat mich gerufen. Dieser uralte Sternenweg, der nach den alten Vorstellungen den Weg zum Ende der Welt zeigt, und den Pilger seit über 1.000 Jahren aus den unterschiedlichsten Gründen beschreiten. Eines ist vermutlich allen Pilgern gemeinsam - früher wie heute: sie sind auf der Suche. Oftmals nach sich selbst. Und so war es irgendwie auch bei mir.
ZU ZWEIT IST MAN WENIGER ALLEIN.

Zunächst wollte ich den Jakobsweg alleine gehen. Als meine Mutter mich fragte, ob sie mitkommen dürfte, war für mich schnell klar: das ist eine einmalige Chance für uns beide. Wir entschieden uns für den gemeinsamen Weg - und es wurde ein unvergessliches Mutter-Tochter-Abenteuer. Bereits davor standen wir uns sehr nahe, aber der Jakobsweg hat uns auf eine einmalige Art zusammengeschweißt. Ich bin dankbar für jede gemeinsame Erinnerung, jeden besonderen Moment und jedes Gespräch, das wir geführt haben. Sie war die beste "Partnerin in Crime", die ich mir hätte wünschen können.

VON JEAN-PIED-DE PORT BIS SANTIAGO.

Es gibt viele Möglichkeiten, den Jakobsweg zu gehen. Wir entschieden uns für die klassische Route: 800 Kilometer von St. Jean-Pied de Port in Frankreich über die Pyrenäen bis zum Pilgerort Santiago de Compostela in Galicien, Spanien, wo der Legende nach die Grabstätte des Heiligen Jakobus zu finden ist. Für die Wanderung nach Finisterre hatten wir leider keine Zeit mehr und haben daher "das Ende der Welt" mit dem Bus bereist.

Am 15. August 2016 begaben wir uns auf die Reise und hatten 31 Tage Zeit. Am 16. September sollte ich in Santiago meinen 37. Geburtstag feiern. Das bedeutete: durchschnittlich 27 Kilometer am Tag. Das mag für eine trainierte Sportlerin wie ein Spaziergang klingen, aber glaubt mir: Der Jakobsweg führt jeden an seine Grenzen - auf die eine oder andere Weise. Das sollte auch ich schmerzhaft erfahren.


UNSERE ROUTE IM DETAIL.
  • Tag 1: St. Jean-Pied-De-Port -> Burguete (30 km)         
  • Tag 2: Burguete -> Larrasoana (25 km)
  • Tag 3: Larrasoana -> Cizur Menor (20 km)
  • Tag 4: Cizur Menor -> Puente La Reina (20 km)                      
  • Tag 5: Puente la Reina -> Estella (25 Kilometer)
  • Tag 6: Estella -> Sansol (31 km)                                            
  • Tag 7: Sansol -> Logrono (21 km)                                         
  • Tag 8: Logrono -> Najera (31 km)                                        
  • Tag 9: Najera -> Santo Domingo (21 Km)                              
  • Tag 10: Santo Domingo -> Belorado (23 Km)                         
  • Tag 11: Belorado -> Araguete (33 Km)                                   
  • Tag 12: Alapuerca -> Burgos (23 Km)                                    
  • Tag 13: Burgos -> Hontanas (33 Km)                                     
  • Tag 14: Hontanas -> Fromista (39 Km)                                  
  • Tag 15: Fromista -> Carrion de los Condes (21 Km)                 
  • Tag 16: Carrion -> Terradillos de los Templarios (28 Km)
  • Tag 17: Terradillos -> Bercanos del real Camino (25 Km)
  • Tag 18: Bercianos -> Mansilla de las Mulas (27 Km)
  • Tag 19: Mansilla -> Léon (21 Km)
  • Tag 20: Léon -> St. Martin del Camino (26 Km)
  • Tag 21: St. Martin -> Astorga
  • Tag 22: Astorga -> Foncébadon (28 Km)
  • Tag 23: Foncébadon -> Ponferrada (30 Km)
  • Tag 24: Ponferrada -> Villafranca del Bierzo (26 km)
  • Tag 25: Villafranca -> La Laguna
  • Tag 26: La Laguna -> Triacastela
  • Tag 27: Triacastela -> Barbadelo (24 Km)
  • Tag 28: Barbadelo -> Ventas de Narón (33 Km)
  • Tag 29: Ventas -> Melide (28 Km)
  • Tag 30: Melida -> Petrouzo (38 Km)
  • Tag 31: Petrouzo -> Santiago de Compostela (20 Km)
  • Tag 32: Santiago -> Finisterre (Bus)
VON ÜBERMUT UND KAPUTTEN KNIEN.

Wie vorher geschrieben: Der Jakobsweg bringt jeden an seine Grenzen. Und er lehrt dich viel über dich selbst. Mich hat er gelehrt, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Oder besser: Übermut vor der schmerzenden Realität. Zu Beginn glaubte ich, der Jakobsweg sei als Herausforderung nicht genug. Ich dachte, mit meiner Fitness müsste ich doch mehr zu leisten im Stande sein als der gewöhnliche Pilger. Also begann ich Teile der Strecke zu joggen. Mit 12 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken. Es tat so gut, sich mal wieder im aeroben Bereich zu bewegen. Und es tat so gut zu glauben, man könne mehr leisten als der Durchschnitt. Ich schwebte auf meinem "Camino-High".

Bis mich mein Knie sehr schmerzhaft auf den harten Boden der Tatsachen zurückschmetterte. Es machte mir knallhart deutlich: nein, junge (oder  nicht mehr so junge) Dame, der Jakobsweg ist genug. Auch für dich. Er ist eine Herausforderung. Und das wirst du jetzt lernen. Ich lernte. Jeden verdammten Tag, der ab sofort zu gehen war. Irgendwann schmerzte mein Knie so sehr, dass ich dachte, ich würde es nicht mehr bis nach Santiago schaffen. Da weinte ich das erste Mal. An keinem Tag war ich dankbarer, dass meine Mama bei mir war, die mich in den Arm nahm und mir sagte, dass wir es schaffen würden. Gemeinsam. Und das taten wir.
ANGEKOMMEN.

Am 15. September betraten wir nach über 800 Kilometern die Pilgerstadt Santiago de Compostela. Das Gefühl war unbeschreiblich. Und irgendwie auch surreal. Nach so vielen Tagen des gemeinsamen Wanderns war die Reise nun zu Ende. Das Gefühl war befreiend, aber auch leer. Kein Ziel mehr, das vor einem lag. Keine tägliche Herausforderung. Der Weg war zu Ende. Und sollte doch erst der Anfang sein. Die Leere füllte sich schnell, als wir all die wunderbaren Mit-Pilgerer wiedertrafen, die uns auf der Reise begleitet hatten. Mit ihnen durfte ich am nächsten Tag einen besonderen 37. Geburtstag feiern und am Tag darauf in Finisterre einen traumhaften "letzten" Tag erleben.

Finisterre war für mich das wirkliche Ende meines Jakobswegs. Ich bin selten an solch einem kraftvollen und energiegeladenen Ort gewesen. Der Blick in die unendliche Weite des Meeres und das Rauschen der Brandung vermischten sich mit der Gewissheit, es geschafft zu habenzu einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit. Und der Dankbarkeit. Denn heute weiß ich: Ankommen ist keine Selbstverständlichkeit.

MEINE PERSÖNLICHEN JAKOBSWEG-TIPPS.
1. So wenig Gepäck mit wie möglich! 
Wirklich, glaube mir. Du wirst jedes Gramm bereuen. Größe Rucksäcke sind kein Zeichen von Sportlichkeit, sondern von Unwissenheit.
2. Genügend Zeit.
Plane Zusatztage ein, um dir zwischendurch Pausen zu gönnen. Oder einfach mal irgendwo zu bleiben, wo es Dir gefällt.
3. Der Weg ist das Ziel.
Hab keinen falschen Ehrgeiz - der Jakobsweg ist keine Rennstrecke. Genieße den Weg und nicht nur das Ankommen.
4. Kein Social Media.
Bleibe offline und konzentriere dich auf das, was um dich herum passiert. Es wird viel passieren, wenn du es zulässt.
5. Schreibe Tagebuch.
Halte die kleinen Momente, Eindrücke, Gefühle und Gedanken fest, damit sie dich ein Leben lang begleiten können. 
6. Sei offen & achtsam.
Vertraue dem Weg. Nimm die Dinge an, wie sie kommen. Alles passiert aus einem Grund.
7. Unbedingt einpacken!
Blackroll für die Füße, 4 Schulterpolster für Schultern und Hüften, Hirschtalg für die Füße, Pfefferminzöl für die Beine.
8. Reise bis nach Finisterre.
Erst am Ende der Welt ist der Jakobsweg wirklich zu Ende. Die zusätzlichen Tage lohnen sich.
9. Trau Dich!
Wenn Dich der Jakobsweg ruft - folge ihm. Hindernisse gibt es nicht - nur Ausreden.
10. Das Ende ist der Anfang.
Der Jakobsweg wird dich verändern. Du wirst es spüren. Vielleicht noch nicht auf dem Weg, aber mit Sicherheit, wenn du zurück kommst. Die Frage ist, was Du daraus machst.

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